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ChatGPT: Conversation Design neu gedacht

ChatGPT: Conversation Design neu gedacht

Wenn Sie in den letzten Monaten im Internet waren (wenn nicht: wo um Himmels Willen waren Sie?), sind Sie ganz sicher nicht um ChatGPT herumgekommen. GPT ist ein Large Language Model (LLM), das von OpenAI entwickelt wurde und das zurzeit in aller Munde ist. 

Der Charme von ChatGPT besteht darin, dass er mit Userinnen auf ganz einfache und natürliche Weise interagiert und menschlicher Kommunikation sehr nahekommt. Andere Chatbots liegen dahinter teils weit zurück. Momentan wird spekuliert, ob in Chatbots die Zukunft der Suchmaschinen liegt und dass eventuell sogar die Vorherrschaft von Google auf dem Markt auf der Kippe stehen mag. Der durchschlagende Erfolg von ChatGPT hat dazu geführt, dass Google den sogenannten CodeRed ausgerufen hat, also eine Warnung, was das eigene Geschäftsmodell betrifft. Andere Unternehmen haben das revolutionäre Potential von ChatGPT schnell erkannt und investieren bereits kräftig. Besonders hervorzuheben ist Microsoft. Das Unternehmen hat – übrigens nur wenige Tage, nachdem es angekündigt hat, 10.000 Mitarbeiterinnen zu entlassen – 10 Billionen US Dollar in das Projekt investiert. Ein technologischer Wandel ist eingeläutet. 

Girls get excited while watching to a mobile phone
Thanks to Ketut Subiyanto for sharing her work on pexels

Was ChatGPT auszeichnet, ist die schiere Menge seiner Parameter, die clevere Netzwerkarchitektur sowie die extrem große Menge an Trainingsdaten

Ein Datensatz von Millionen von Dokumenten ermöglicht dem System die Vorhersage des nächsten Tokens einer Wortsequenz. Diese Funktionsweise lässt ChatGPT menschliche Sprachmuster imitieren und sehr überzeugende Gespräche führen. Auch die Akzeptanzrate unter den Userinnen ist beispiellos: In nur fünf Tagen konnte OpenAI eine Million Nutzerinnen gewinnen – eine Leistung, für die selbst Facebook einst 10 Monate brauchte. 

Zu sagen, dass ChatGPT und andere LLMs das Interesse der KI-Gemeinschaft geweckt haben, ist noch eine Untertreibung. Während einige (mich eingeschlossen) das Aufkommen einer solchen Technologie begrüßen, könnten andere argumentieren, dass der Untergang des Conversation Design gekommen ist. Denn wenn nun jede*r in der Lage ist, Interaktionen mit einem Roboter zu erstellen und diesen überzeugend wie einen Menschen klingen zu lassen, dann scheint der Berufszweig, der sich damit beschäftigt, obsolet. 

Aber stimmt das

In einer Welt, in der eine KI Bilder und Musik erzeugen kann, können wir uns eine düstere Zukunft vorstellen, in der alle kreativen Fachleute durch Code ersetzt werden. Das ist eine verständliche wie beunruhigende Schlussfolgerung, aber zumindest im Moment trifft sie ganz einfach nicht zu. Neue Technologien sollten nie als Ersatz für menschliche Kreativität und Fachwissen angesehen werden, sondern nur als ein weiteres neues Werkzeug. Künstler*innen integrieren bereits generative KI in ihre Arbeitsabläufe, um in Gedankenschnelle wunderbare Ideen zu verwirklichen. Und der Bereich des Conversation Design bildet da keine Ausnahme: Wir sind eher begeistert als besorgt. 

Neue Technologien zu unserem Vorteil einsetzen

Wir Conversation Designer*innen sind Expert*innen mit einem hohen

Dazu müssen wir eine Menge Infos zusammentragen: Wir müssen uns mit verschiedenen Technologiesystemen vertraut machen, ihre Stärken, Schwächen und Grenzen kennen. Wir müssen recherchieren, für welche Zielgruppen wir unsere Voice Designs entwerfen und welche Vorlieben unsere Nutzer*innen haben. Wir stellen Hypothesen auf und testen sie. Wir beziehen Nutzungsdaten und Best-Practice-Beispiele ein, um uns für die beste Vorgehensweise zu entscheiden. 

Unsere Aufgaben sind also viel breiter als Texten und Schreiben. Ganz gleich, wie erstaunlich und fortschrittlich die Technologie inzwischen ist, diese Vorarbeit muss immer noch geleistet werden – und das macht unser Fachwissen unersetzlich. 

„Alles klar, aber LLMs können euch dabei helfen“, kann man nun entgegnen – und das ist vollkommen richtig. Das spiegelt auch die tägliche Herausforderung wider, der Conversation Designer*innen sich stellen: die ständige Flut an neuen Technologien, die auftauchen und teils auch wieder verschwinden. Alle bahnbrechend und vielversprechend, und sie regen zum Nachdenken an. 

Es lässt sich nicht leugnen, dass ChatGPT ein außergewöhnlich leistungsfähiges Tool ist. Aber genau das ist der Punkt: Es ist ein Werkzeug und hat seine Grenzen.

Es ist zwar in der Lage,

Eingaben zu generieren,

Passagen zu übersetzen,

Fragen zu beantworten und Informationen zusammenzufassen,

aber wir sollten nicht vergessen, dass ChatGPT auf riesigen Datenmengen aus dem Internet trainiert wurde.

Daten, die auch Fehlinformationen enthalten oder stark verzerrt sein können.

Daher ist es unsere Aufgabe, sehr reflektierend auf den Output des Systems zu blicken, um Genauigkeit und eine möglichst hohe Unvoreingenommenheit zu gewährleisten. Für ein System wie ChatGPT kann es zudem schwierig sein, abstraktere und komplexere Zusammenhänge darzustellen oder die Formulierung eines Textes auf ein bestimmtes Publikum zuzuschneiden. Als Kommunikationsexpertinnen sind Konversationsdesignerinnen dazu da, Nuancen in Worte zu fassen und den Botschaften den richtigen Ton zu verleihen. 

Die Integration dieser neuen Technologien in unsere tägliche Arbeit ist der nächste Schritt für uns. Und zwar nicht nur, um unseren Arbeitsprozess zu straffen und effizienter zu gestalten, sondern auch, um unser Fachwissen auf ein noch höheres Niveau zu heben und unsere Ergebnisse immer weiter zu verbessern. Die Arbeit mit diesen hochmodernen Werkzeugen bedeutet, dass wir unseren Designprozess neu denken – eine spannende Aufgabe, die jede Mühe wert ist, da sie unsere Arbeitsweise verbessern kann. 

LLMs in unsere Arbeit integrieren – aber wie

Wie können wir LLMs nun in unsere tägliche Arbeit integrieren? Während viele Expert*innen bereits über die Auswirkungen dieser Modelle auf die Branche nachgedacht und Hypothesen aufgestellt haben, werden sich immer noch Möglichkeiten auftun, die wir momentan noch gar nicht erahnt haben. 

Wie McLuhan berühmt schrieb:

Das Medium ist die Botschaft (The medium is the message)
Marshall McLuhan / kanadischen Kommunikationstheoretikers

Das heißt, die Auswirkungen der Technologie liegen nie in der Technologie selbst, sondern darin, wie wir als Gesellschaft sie nutzen und wie das neue System uns möglicherweise verändert.  

Je mehr wir uns mit diesen Werkzeugen vertraut machen und sie von einer Neuheit zu einem Alltagstool werden lassen, desto breiter wird mit der Zeit ihr Anwendungsbereich. Als Denkanstoß wollen wir uns zunächst mit dem naheliegendsten Anwendungsbereich befassen: der Generierung von Utterances und Prompts für eine Vielzahl von Interaktionen sowie der Erstellung von Trainingssets für Sprachverarbeitungsmodelle (Natural Language Processing, NLP).

Generierung von Utterances und Prompt Design 

Das Entwerfen von Utterances und Prompts gehört zu den klassischen Aufgaben von Conversation Designer*innen.   

Sie möchten verschiedene Ideen in einem Prompt vereinen, wissen aber nicht so recht, wie Sie sie gut miteinander verweben sollen? Vielleicht kann das LLM Ihnen mit einigen Vorschlägen helfen und Sie können sie im Anschluss verbessern. Dabei sollten Sie nicht blindlings übernehmen, was die KI Ihnen vorgibt – nutzen Sie Ihr Fachwissen und Ihr „Menschsein“, um zu evaluieren, welche Aspekte gelungen sind und wo es noch etwas Feinschliff braucht.  

Robot
Thanks to Kindel Media for sharing her work on pexels

Sie haben bereits eine gut definierte System Persona? Dann wird es jetzt noch interessanter! Beschreiben Sie dem LLM die Züge der Assistant Persona und bitten Sie es, Prompts für Sie zu erstellen. Auf Basis dieses Inputs kann das LLM Sätze erstellen, die der beschriebenen Persönlichkeit entsprechen. Und das trägt dazu bei, dass die Persönlichkeit des Systems bei Interaktionen mit den Nutzenden gut zum Ausdruck kommt.  

 Konversationsdesignerinnen arbeiten bei NLP-Projekten oft mit Computerlinguistinnen zusammen (oder übernehmen teils selbst Aufgaben aus dem Feld der Computerlinguistik). Durch den Einsatz von ChatGPT können Computerlinguistinnen Sätze erstellen lassen, mit denen sie die Sprachverarbeitungsmodelle füttern. So umgehen sie, das Trainingsmaterial manuell schreiben zu müssen. Es entsteht eine Menge von Daten, die für das NLP-Modell von Vorteil ist, da es mehr Variationen von Benutzereingaben verarbeiten kann. Das verringert die Wahrscheinlichkeit von Fehlern, die entstehen, wenn das System auf neue oder unerwartete sprachliche Muster trifft. Bessere Erkennung, zufriedenere Nutzerinnen – eine Win-Win-Situation. 

Wohin führt uns dieser Weg?

Dies ist nur die Spitze des Eisbergs. Je besser wir uns daran gewöhnen, diese Werkzeuge tagtäglich einzusetzen, desto breiter wird der Anwendungshorizont. An der Kernaufgabe der Conversation Designerinnen ändert sich nichts: Wir sind nach wie vor Expertinnen für Kommunikation und werden dieses Wissen in unserer täglichen Arbeit anwenden. Lassen wir zu, dass neue Tools unsere Arbeit unterstützen, und seien wir offen für neue Möglichkeiten. Wir werden vielleicht nicht mehr so viel Zeit mit dem Formulieren von Sätzen verbringen, aber das Kuratieren einer Fülle von generierten Prompts und die Fähigkeit, clevere Inputs zu finden, um das Beste aus den LLMs herauszuholen, werden zu Schlüsselqualifikationen.  

In einer Welt, die sich jeden Tag so drastisch verändert, scheint das Meer der Möglichkeiten in der KI-Szene endlos. Als Designer*innen ist es unsere Aufgabe zu lernen, wie wir durch diese Flutwellen navigieren, unser Schiff über Wasser halten und sicherstellen, dass wir unser Ziel erreichen. 

Autor*innen